Es ist zum Fremdschämen: Wie erbärmlich sich Indien als Partnerland der ANUGA 2017 präsentierte

Indien war im Oktober Partnerland der ANUGA 2017. Die weltgrößte Fachmesse der Ernährungswirtschaft und Nahrungsmittelindustrie ehrte ein Land, das vielfach noch als Heimat der Hungerleider diffamiert wird. Geht das zusammen? Hans-Jörg Hussong ( Text) und Konstanze Vollmer (Fotos) sind der Frage vor Ort in Köln nachgegangen.

Riesige Plakate stimmen Besucher, die vom S-Bahnhof Deutz zu den Kölner Messehallen strömen, mit appetitlichen Fotos von kulinarischen Köstlichkeiten aus Brasilien und Tunesien auf das Thema ein. Eher verschämt informiert ein schmales Spruchband, dass Indien, der weltweit am schnellsten wachsende Lebensmittelmarkt der Welt sei und dass man Aussteller aus dem Partnerland in den Hallen 11/3 und 7/1 finde.

Hans-Jörg Hussong im Gespräch mit Heloise Garniuer, der amtieren "Chefin" des indischen Pavillons auf der Anuga 2017

Die Halle 11 ist dem Thema „Fine Food“, also Feinkost gewidmet. Auf der Ebene 3 haben die meisten der in diesem Jahr auf der ANUGA vertreten indischen 111 Aussteller ihre Stände aufgebaut. Für ein Partnerland eine sehr überschaubare Zahl und sogar noch weniger als bei der letzten ANUGA als 135 indische Unternehmen teilnahmen. Noch unscheinbarer wird das indische Kontingent, gemessen an der Gesamtzahl der insgesamt 7.400 Anbieter aus 104 Ländern.

Die Aussteller aus dem Partnerland Indien muß man suchen. Eingerahmt von einem großen aber vergleichsweise wenig beachteten türkischen Kontingent und dem geschickt platzierten und auffällig dekorierten Aufgebot aus Thailand bieten die indischen Stände ein sehr biederes Bild.

Am Tresen des India Pavillons empfangen europäische Hostessen die Messegäste überaus freundlich und empfehlen Kostproben des indischen Subkontinents: Mango-Mus, Cashew-Nüsse, Süßigkeiten, Softdrinks, Tee sowie indisches Bier und Wein. Auf der Frage nach einer offiziellen Vertretung der indischen Delegation verweist man uns an eine junge Französin. Heloise Garnier absolviert gerade ein Jahrespraktikum beim renommierten indischen Weinproduzenten Grover Zampa Vineyards in Mumbai und legte sich in Köln mit großem Engagement für Indien ins Zeug. Eigentlich sollte dies die Aufgabe der Ministerin für Lebensmittelverarbeitung, Harsimrat Kaur Badal, oder zumindest der Kommunikationschefin der APEDA, der offiziellen Exportexport-Organisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und verarbeitete Lebensmittel in Indien, sein. Beide ließen sich bei der Eröffnung feiern, haben aber offensichtlich während der Messetage Besseres zu tun.

 

Das Angebot der indischen Anbieter bei der ANUGA 2107 ist allerdings auch recht überschaubar und irgendwie ziemlich eindimensional. An vielen Ständen dominieren Trockenobst und Trockenfrüchte sowie darauf basierende Snacks. Auch Nüsse und Cerealien nehmen einen breiten Raum ein, dazu Fruchtsäfte und Fruchtmark, Obst und Gemüsekonserven in mannigfachen Varianten. Sesam jeder Art und unterschiedlichste Erdnuss-Produkte werden ebenfalls an vielen Ständen propagiert.

Gewürze riecht und sieht man zwar ebenfalls, aber längst nicht in dem Maße, die man von einem Land erwarten müsste, das sich gern als Heimat der Gewürze bezeichnet. Nicht einmal den in aller Welt hochgeschätzten und teuer bezahlten Malabar-Pfeffer findet man.

Dafür Bekanntes aus dem Sortiment deutscher Discounter, dessen Herkunft man kaum in Indien verortet hätte. Zum Bespiel Mini-Gurken und Cornichons im Glas. Was in der Region um die südindische IT-Metropole Bangalore angebaut und eingekocht wurde, verschweigt hierzulande seinen Ursprung. Das Etikett der unter dem Label „Gartenkrone“ firmierenden Sauerkonserven verrät, dass die Ware für eine GmbH und Co. KG in Mülheim an der Ruhr hergestellt wurde und in den Regalen aller ALDI-Filialen zu finden ist.

Auffällig oft bewerben die indischen Aussteller Produkte aus getrockneten Zwiebeln. Es gibt sie praktisch in allen Körnungen von grob geschnitzelt bis zu feinem Mehl. Offensichtlich landen diese vor allem in Gewürzmischungen und in Fertiggerichten. Dies ist umso verwunderlicher, da in Indien so viel Zwiebeln verbraucht werden, dass die landeseigene Ernte nicht ausreicht und Zwiebeln teuer importiert werden müssen, zum Beispiel aus Ägypten.

 

Fertiggerichte nach traditionellen indischen Rezepten werden von verschiedenen Herstellern angeboten. Der Trend zu solchen Gerichten setzte schon vor fast 30 Jahren ein, weil die meisten Inder kaum Lust auf kulinarische Experimente und die Entdeckung ihnen fremder Geschmackserlebnisse haben. Noch heute werden Gruppenreisen oft von einem heimischen Koch begleitet. Um die damit verbundenen Kosten zu sparen, wurden viele Fertiggerichtet zunächst vor allem entwickelt, um Indern auf Reisen gewohnte Kost garantieren zu können. Dies schien umso wichtiger, weil viele Inder Vegetarier sind und sich die vegetarische Küche der westlichen Welt traditionell durch den Verzicht auf Gewürze und oft sogar Salz durch Verzicht auf Geschmack „auszeichnet“.

Der rapide gesellschaftliche Wandel in Indien, der Frauen eine wichtige Rolle im Beruf und damit bei der Versorgung der Familie einräumt, ließ den Trend zu Fertig- und Halbfertig-Gerichten geradezu zum Boom werden. Auch bei im Ausland lebenden Indern erfreuen diese sich großer Beliebtheit. So ist es kein Wunder, dass auch europäische Hersteller indische Spezialitäten von Brotfladen bis zu den beliebten Linsengerichten im Sortiment führen. Andere wie etwa Feinkost Dittman, der seit Februar 11 hochwertige indischen Kochsaucen, Pasten, Gewürzmischungen und Chutneys der renommierten Marke Sharwoods propagiert, übernehmen den Vertrieb indischer Spezialitäten. In Köln hat sich das Duo Manoj Jain und Andreas Seibert einem Namen gemacht und bietet seine Convience Produkte nach indischer Art unter der Marke Vepura mittlerweile in viele europäischen Supermärkt. Schon vor zwei Jahren wurde Vepura mit dem ANUGA TASTE15 AWARD als Top Innovation der Messe ausgezeichnet. Auch 2107 gelang ein ähnlicher Erfolg. Die Creation „Bombay Street Snacks mit vegetarischen Fingerfood holte den TASTE AWARD TOP INNOVATION 2017“.

Viele innovative Kreationen auf Basis indischer Grundstoffe wurden von Anbietern vorgestellt, deren Gründer zwar indische Wurzeln haben, die aber fern der Heimat erfolgreich experimentieren. So die Firma Veetee, die mit rasch garenden Reisvariationen für schnell zu einer der am schnellsten wachsenden Unternehmen in Großbritannien avanciert ist.

Dass beim traditionellen Wettbewerb um den Titel Koch des Jahres Indien eine winzige Rolle spielte, scheint symptomatisch für die Präsenz des diesjährigen Gastlandes. Acht Top-Küchenchefs mussten bei der Kategorie „Vorspeise“ drei bestimmte Zutaten unterbringen: Estragon, Karotte, Papadams. Wer die knusprigen Fladen aus Linsen- und Reismehl kennt, weiß dass Papadams allenfalls eine verzichtbare Begleitmusik zu einem vollständigen indischen Menu darstellen, hat analog einen Eindruck von der Bedeutung des indischen Auftritts bei der diesjährigen ANUGA.

Nicht einmal im Bereich Tee, wo mit Hochgewächsen aus Darjeeling Indien unbestritten Weltspitze ist, präsentierte man sich auf Augenhöhe mit Anbietern andere Länder. Ähnlich verhuscht verkroch sich Kaffee aus Indien bei der ANUGA. Billiger Pulver-Kaffee dominierte, von einer weltberühmten Spezialität wie Monsun-Kaffee aus den Bergen von Karnataka hatte man am Stand des Coffee-Boards allenfalls mal gehört.

 

Ein Kuriosum stellten die indischen Fleischexporteure dar. Indien ist knapp hinter Brasilien zwar der zweitgrößte Exporteur von Rindfleisch, doch die hindunationalistische Regierung Modi verbietet den Handel und das Schlachten von Kühen. Deshalb kommt im Wesentlichen das Fleisch von Wasserbüffeln auf den Markt. Auf der ANUGA werben mehrere indische Anbieter für Produkte, die ausschließlich nach der islamischen Halal-Schlachtung stammen dürfen. Warum sie die Kosten eines Messe-Auftritts in Köln auf sich nehmen, zumal Fleisch aus Indien hierzulande allenfalls als Tierfutter verkehrsfähig ist, begründeten die indischen Fleischexporteure mit der Kontaktpflege zu Kunden aus Afrika. Weil solche Gespräche offensichtlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, boten sich die verwaisten Stände als willkommene Ruheinseln für fußlahme Messebesucher an

Wer auf das Angebot der indischen Firma German Foods gespannt war und einen Hersteller oder zumindest Vermarkter von typisch deutschen Speisen vermutete, fand stattdessen einmal mehr einen Hersteller von Zutaten aus getrockneten Zwiebeln und Knoblauch.

Ein Glück, dass diesen Produkten, die tränentreibenden ätherischen Öle entzogen sind, Es ist sowie zum Heulen, zu sehen, wie behäbige indische Bürokratie eine einmalige Chance verpasst hat, die große kulinarische Kultur des Subkontinents auf internationaler Ebene zu präsentieren

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